Rohstoffe: Bedarf und Verbrauch

Rohstoffe: Bedarf und Verbrauch
Rohstoffe: Bedarf und Verbrauch
 
Unter Rohstoffen verstehen Geowissenschaftler heute im Allgemeinen die Stoffe der festen Erdkruste — also Elemente oder chemische Verbindungen. Dazu gehören Energierohstoffe wie Kohle, Erdgas, Erdöl und Uran ebenso wie die metallischen Rohstoffe, also Erze. Außerdem zählt man zu den Primärrohstoffen auch nichtmetallische Rohstoffe, etwa Steine und Erden, sowie Industrieminerale. Bergbauingenieure erklären Rohstoffvorkommen, die auch als Lagerstätten bezeichnet werden, erst dann als abbauwürdig, wenn sich der Abbau aufgrund der Lage, der Größe und der Beschaffenheit lohnt. Die Wirtschaftlichkeit einer Lagerstätte hängt in starkem Maß von den technischen und politischen Bedingungen ab.
 
 Geschichte des Rohstoffverbrauchs
 
Schon die ersten Menschen waren in der Lage, Werkzeuge wie Handkeile, messerscharfe Klingen, Pfeil- und Speerspitzen aus Feuerstein herzustellen, der an vielen Orten auch als Flint bezeichnet wird. Der älteste heute bekannte Untertagebergbau entstand bei der Suche nach Blutstein oder Rotocker: Vor mehr als 30000 Jahren nutzte Homo sapiens in Swasiland im südlichen Afrika das Mineral für Bestattungsrituale.
 
Als die Menschen während der Steinzeit sesshaft wurden, bedeutete der Übergang vom Jagen und Sammeln zu Ackerbau und Viehzucht einen höheren Bedarf an Rohstoffen. Für die Arbeit benötigten die Bauern spezielle Geräte, für die geernteten Nahrungsmittel Vorratsbehälter. Außerdem bedurfte es mineralischer Werkstoffe wie Lehm und Mörtel, um die ersten Häuser zu bauen. Heute bezeichnen Archäologen die verschiedenen Stadien der Zivilisation nach bestimmten Rohstoffen und Produkten, also Steinzeit, Bronzezeit, Kupferzeit, Eisenzeit — bis hin zum Kohlezeitalter im 19. und Erdölzeitalter im 20. Jahrhundert.
 
Edelmetalle wurden schon in der griechischen Antike abgebaut und verhüttet, beispielsweise im Silberbergbau von Laurion. Die Produktion von Metallen belebte zugleich den Handel im Mittelmeerraum. Gold, Silber und Edelsteine galten bald als Zahlungsmittel. Münzen aus Edelmetallen wurden nach heutigen Erkenntnissen erstmals 600 vor Christus in Kleinasien geprägt.
 
In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich die Technik in Europa sehr langsam. Agricola schrieb das erste Werk über Bergbau im 16. Jahrhundert, im 18. Jahrhundert entstanden die ersten Bergakademien. Die Zentren der industriellen Revolution waren häufig mit Kohlevorkommen verknüpft — typisch für das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland etwa war das Ruhrgebiet. In England erlebte die Wirtschaft vor allem deshalb einen schnellen Aufschwung, weil dort zahlreiche oberflächennahe Kohlelagerstätten entdeckt wurden. Da die Stahlproduktion eng an die Kohlevorkommen gebunden war, folgte die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert den europäischen Kohlevorkommen, von Belgien über Nordostfrankreich, das Saar- und Ruhrgebiet, Böhmen, Oberschlesien bis zum Donezbecken.
 
Mit der industriellen Revolution verlieren Metalle ihren besonderen Wert. Zunehmend werden sie für Alltagsgegenstände verwendet und nicht nur von einer kleinen elitären Schicht, sondern von der gesamten Bevölkerung genutzt. Die Folge: Der Bedarf und die Förderung metallischer Rohstoffe steigt rasch an. Dieser Trend wird vor allem durch Erfindungen wie Dampfmaschine, Eisenbahn, Elektrizität, Auto und Flugzeug bis hin zum Computer dramatisch verstärkt.
 
Dem Bergbau kommt in diesem Prozess der Industrialisierung die Aufgabe zu, die Fabriken mit den nötigen Rohstoffen zu versorgen. Schnell sind die Reserven in Europa verbraucht, die Bodenschätze in den Kolonien werden deshalb erschlossen und mit billigen Arbeitskräften ausgebeutet. Da weder auf Menschen noch auf die Natur Rücksicht genommen wird, ist der Preis, den spätere Generationen für den Raubbau zahlen müssen, äußerst hoch: Ganze Landstriche fallen dem Bergbau und der Verhüttung zum Opfer. Die Bergwerke benötigen beispielsweise Holz nicht nur als Stützmaterial, sondern auch als Energielieferanten, um die Erze aufzubereiten und zu schmelzen. Wo viel Strom benötigt wird, beispielsweise um Aluminium oder andere Metalle zu gewinnen, werden Flüsse gestaut.
 
Und nahezu überall werden Gewässer, Boden und Grundwasser mit hochgiftigen Metallen verunreinigt. Da die Nachfrage nach Rohstoffen aufgrund der wachsenden Nachfrage nach Verbrauchs- und Konsumgütern sowie der schnell wachsenden Bevölkerung zunimmt, bedeutet dies auch künftig einen vermehrten Verbrauch an natürlichen Ressourcen.
 
 Mensch, Technik und Rohstoffe
 
Im Jahr 1971 lebten auf der Erde noch 3,6 Milliarden Menschen. 1999 waren es schon 6 Milliarden. Das Maximum des Wachstums der Weltbevölkerung wird nach neueren Schätzungen in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrhunderts mit 11 Milliarden Menschen erwartet. Danach soll die Zahl langsam wieder zurückgehen.
 
Betrachtet man den Verbrauch einiger metallischer Rohstoffe und die Entwicklung der Energieproduktion von 1892 bis 1992, so nahm der Metallverbrauch um das 37fache zu, der Energieverbrauch um das 17fache. Die Bevölkerung vervierfachte sich in dieser Zeit. Am steilsten kletterte die Kurve des Rohstoffverbrauchs in den letzten 50 Jahren. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden mehr Rohstoffe der Erdkruste entnommen als in der gesamten Menschheitsgeschichte davor. So werden in den Industrienationen pro Kopf jährlich bis zu 20 Tonnen Rohstoffe verarbeitet. Auch die Informations- und Kommunikationstechnologie im 21. Jahrhundert wird zunehmend mineralische Rohstoffe benötigen. Ein Computer enthält mehr als 20 verschiedene mineralische Rohstoffe. Um sie zu gewinnen, müssen mehrere Tonnen Gesteinsmaterial bewegt und bearbeitet werden.
 
Ob bestimmte Rohstoffe in Zukunft weiter verfügbar sind, hängt von vielen Faktoren ab. Zunächst natürlich davon, ob Lagerstätten noch erschlossen werden können. Der bestimmende Faktor hierbei ist, ob das Verhältnis der Bergbaukosten zum Erlös stimmt. Ökologische Aspekte wie Bergbaufolgen, Transport, Nutzung und Entsorgung fließen hierbei in die Gesamtkalkulation ein.
 
Mitunter entscheidet auch die technologische Entwicklung, ob eine Lagerstätte wirtschaftlich ausgebeutet werden kann. So hatte zum Beispiel das Mineral Bauxit, aus dem Aluminium gewonnen wird, vor 150 Jahren noch keinerlei Gebrauchswert, da kein Aluminium benötigt wurde. Bauxit enthält etwa 55 bis 65 Prozent Aluminiumoxid. Der Rohstoff reichert sich durch tief greifende Verwitterung des Untergrunds über lange geologische Zeiträume hinweg an. Heute ist das Leichtmetall Aluminium für zahlreiche Anwendungen, etwa den Flugzeug- und Automobilbau, unentbehrlich.
 
Ist jedoch eine Lagerstätte nicht gut zu erreichen, scheidet sie für Prospektoren auch bei hohen Metallkonzentrationen aus. Dies gilt heute für einige Rohstoffvorkommen am Meeresgrund ebenso wie für potenzielle Lagerstätten unter dem 4000 Meter dicken Eisschild der Antarktis. Nicht zuletzt müssen die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Um bei den oben genannten Beispielen zu bleiben: Obschon heute bereits einige Firmen im Tasmanischen Meer nach Metallen schürfen, ist der Widerstand von Umweltorganisationen bereits erheblich. Ähnliches gilt für die Antarktis, in der gegenwärtig noch internationale Verträge einen Abbau verhindern.
 
Sollten Rohstoffe knapp werden, erhalten auch Alternativen Chancen: Würde etwa Erdöl teurer, weil der Aufwand zunimmt, die Lagerstätten auszubeuten, könnten Sonnenenergie oder Erdwärme gegenüber den fossilen Energieträgern konkurrieren. Und sollten die Vorräte an Kupfer irgendwann zur Neige gehen, ließe sich bestimmt ein höherer Prozentsatz als bisher recyceln oder neue Werkstoffe träten an seine Stelle. Trotz solcher Unwägbarkeiten können die Geowissenschaftler heute die Zahl möglicher Lagerstätten und deren Kapazität mit den modernen Methoden der Lagerstättengeologie sehr gut abschätzen.
 
Dipl.-Geol. Dr. Thomas Schledding
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Rohstoffe: Entstehung von Lagerstätten
 
Rohstoffe: Wirtschaft, Politik und Umwelt
 
 
Barsch, Heiner/Bürger, Klaus: Naturressourcen der Erde und ihre Nutzung. Gotha 21996.
 Stahl, Wolfgang: Die weltweiten Reserven der Energierohstoffe: Mangel oder Überfluß?, in: Energieforschung 1998. Vorlesungsmanuskripte des 4. Ferienkurses »Energieforschung« vom 20. bis 26. September 1998 im Congrescentrum Rolduc und im Forschungszentrum Jülich, herausgegeben von Jürgen-Friedrich Hake u. a. Jülich 1998.
 Windfuhr, Michael: Zum Beispiel Rohstoffe. Göttingen 1996.

Universal-Lexikon. 2012.

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